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Mehr als Architektur – anders als ein Museum
Ausstellen in der Neuen Bauakademie
Von Dieter Nägelke
(erschienen 4/2017)
Kein Archiv! Kein Museum! Wenigstens darüber herrschte Einigkeit unter den Gästen des 2. Dialogforums zur Bauakademie. Offensichtlich macht der seit vielen Jahren durch die Debatten geisternde Begriff „Architekturmuseum“ Bauchschmerzen – zu schwerfällig kommt er daher, rückwärtsgewandt und mit erhobenem Zeigefinger. Das ist nicht neu. Schon TH-Entwurfsprofessor und Dombaumeister Julius Raschdorff fremdelte damit, als er 1886 das erste deutsche Architekturmuseum an der neuen Technischen Hochschule Berlin gründete. Lieber sprach er von „Baugeschichte der Jetztzeit“ – Sammlung und Ausstellung sollten aus der Geschichte die Gegenwart erklären und in die Zukunft wirken. Nicht anders ging es Heinrich Klotz, als er den Begriff fast einhundert Jahre später zum zweiten Mal, nämlich für das Deutsche Architekturmuseum der Stadt Frankfurt, in Umlauf brachte. Ihm galt „Museum“ als „Hilfsbegriff, der nur andeutet, was ein solcher Ort sein kann: Umschlagplatz von Ideen, von Programmen, von Kritik und Bestätigung“. Kürzer lassen sich auch die Ziele der Neuen Bauakademie nicht fassen. Welche Rolle spielen Ausstellungen darin? Welchen Beitrag kann das Architekturmuseum der TU Berlin dazu leisten?
Bauen ist mehr als Architektur. Bauen formt Lebensräume: überall. Die Ingenieurleistungen von der Tragwerks- bis zur Verkehrs- und Umweltplanung gehören ebenso dazu wie Städtebau und Landschaftsgestaltung. In Häusern und Städten wird Bauen sichtbar. Bauen auszustellen, heißt auch, das Unsichtbare anschaulich zu machen: seine historischen, theoretischen, technologischen, soziologischen, ökonomischen, ästhetischen und individuellen Grundlagen, seine Erfolge, sein Misslingen und seine Visionen.
Allein schon wegen ihrer Lage wird die Neue Bauakademie ein Publikumsmagnet sein. Über ihre Funktion als Expertenforum hinaus muss sie deshalb einen für alle offenen Einstieg bieten, der die Grundlagen von Bau und Städtebau sichtbar macht und Angebote zur Vertiefung gibt. Ein moderner Showroom des Bauens braucht weniger historische Originale, als dass er auf eine prägnante, präzise und provokante Vermittlung gerichtet sein muss. Am besten gleich im Erdgeschoss. Mit freiem Eintritt und kombiniert mit einem Café kann es zu einem lebendigen Treffpunkt werden, der zwischen Bistro-Tischen und Sitzecken von Modellen, Abgüssen und Spolien, faksimilierten Zeichnungen und interaktiven, digitalen Formaten bevölkert wird. Aktuelle Projekte können hier wechselnd einen Platz finden. Schwerpunkte dürfen Berlin und die Gegenwart sein. Auch Schinkel. Vor allem aber geht es darum, Bauen aus seinen gemeinsamen europäischen Wurzeln und in seinen internationalen Verflechtungen darzustellen. Bauen verbindet. Warum also nicht neben einem Modell von Mies van der Rohes Barcelona- Pavillon eine Crema catalana genießen? Und dabei mit spanischen Stipendiaten über Smart Cities ins Gespräch kommen?
Zusammen mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der TU Berlin können wir ebenso die didaktische Aufbereitung leisten, wie die Technische Universität mit digitaler Architekturdarstellung, Modellbau oder 3D-Labor das Know-how für modernste Präsentationen bereithält und forschend weiterentwickelt. Die stetig wachsende Sammlung des Architekturmuseums bietet von der Antike bis in die Gegenwart reiches Material für diesen Showroom. Nach zehn Jahren erfolgreicher Digitalisierung braucht sich niemand mehr vor wachsenden Lagerflächen zu fürchten: Fast alle unserer 180 000 Objekte liegen heute als hochauflösende Bilddaten für jede weitere Nutzung bereit.
Sammlung, Wissen und Netzwerk des TUArchitekturmuseums bilden auch die Basis für den größeren Bereich der Wechselausstellungen. Wir können dafür das logistische Rückgrat sichern, aber alleine bespielen wollen wir sie nicht. Vor 15 Jahren wurde im Verein Internationale Bauakademie zwischen allen Berliner Architektursammlungen von Staatlichen Museen bis Bauhaus-Archiv verabredet, die Neue Bauakademie als gemeinsames Ausstellungshaus zu betreiben. Unter den geänderten Vorzeichen sehe ich dort neben klassischen Themenausstellungen musealer Sammlungen genauso Platz für Schaufensterund Projektpräsentationen der Bauverwaltungen von Land und Bund, für Vereine und Verbände vom Architekten- und Ingenieur-Verein bis zum Deutschen Architektur Zentrum, für private Akteure wie Aedes oder die Architektur Galerie Berlin oder für Gastspiele auswärtiger Partner. Um es an aktuellen Beispielen zu konkretisieren: Würde es die Bauakademie schon geben, könnte ich mir die Münchner Ausstellung zu Francis Kéré – einem Alumnus der TU Berlin! – dort vorstellen, ebenso „Making Heimat“ aus Frankfurt oder „Denken in Modellen“ aus Karlsruhe. Nur beliebig darf es nicht werden: Grundlage des Ausstellungskalenders ist die Programmarbeit der Neuen Bauakademie, das heißt die inhaltliche, auf aktuelle Schwerpunktthemen gerichtete Abstimmung der drei Säulen Forum – Ausstellung – Akademie.
Die Neue Bauakademie braucht keine Intendanz, sondern Moderation. Neben vielfältigen Themen, die wie unsere Ausstellungen zu Alfred Messel, zu „Stadtvisionen 1910|2010 Berlin – Paris – London – Chicago“ oder zur Bebauung der Berliner Museumsinsel als Kooperationen, aus klassischen Forschungsprojekten oder als forschendes Lernen aus der Universität entstanden sind, bringt das TU Architekturmuseum vor allem dies mit: den Mut, neue Wege zu gehen, und den Wunsch, dies mit anderen gemeinsam zu tun.
Dr. Hans-Dieter Nägelke ist Architekturhistoriker und Leiter des Architekturmuseums der Technischen Universität Berlin. Kurator zahlreicher Ausstellungen, forscht und lehrt er zur Baukunst des 19. und 20. Jahrhunderts